Marketingkampagnen können DAB kaum helfen, denn die Gründe für das zaghafte Vorankommen von DAB sind vielfältig:
Somit bleibt UKW bis auf Weitreres bestehen und DAB kommt nicht recht voran. Diese Situation spielt den vorhandenen Programmen in die Karten, die den Status Quo möglichst lange aufrecht erhalten wollen. Dafür gibt durchaus Argumente: Nur wenn ein Programm in einer Region einen nennenswerten Marktanteil erreicht, kann überhaupt erst in journalistische Qualität investiert werden. Bei den Privatsendern läuft das über Werbeeinnahmen. Die öffentlich-rechtlichen benötigen Einschaltquoten, um ihre Existenz zu rechtfertigen. Wahrnehmbarkeit ist wichtig.
DAB-Programmvielfalt und Webradios gefährden dies. Wenn plötzlich bis zu 100 Stationen im Display zur Auswahl angezeigt werden, leidet die Auffindbarkeit. Auf UKW gibt es in ländlichen Regionen dagegen oft nur etwa 4 öR und 2 private Programme, die ein wirklich lückenloses, leistungsstarkes Sendernetz besitzen. Eine Situation, in er zusätzliche DAB-Programme möglichst unattraktiv sind, ist also im Interesse der existierenden Sender, kann zumindest ein Dahinschmelzen des Marktanteils verlangsamen. Tatsächlich sind die DAB-Programmpakete (MUXe) derzeit so gestaltet, dass die technische Effizienz von DAB zunichte gemacht wird. So werden viele bundeslandweite Programme gleichzeitig über mehrere Kanäle verbreitet, obwohl sie nur einen Kanal benötigten. Private und öR-Senderpakete belegen dabei mit überregionalen Programmen sämtliche Kanäle, die eigentlich für regionale Programmpakete vorgesehen sind. Statt 10 eigenständigen Regionalsendern sendet dann manchmal nur einer. Fährt man durch Ausleuchtzonen verschiedener Sendemasten führt der Kanalwechsel in Autoradios übrigens zu nervigen Umschaltpausen, die einige Autoradios deutlich holpriger als bei UKW mit RDS bewältigen.
Einige Programme laufen auch parallel in Bundesmux und in regionalen Paketen. Begründet wird dies manchmal mit regionalen Nachrichtenfenstern oder Werbeblöcken. Doch dies ließe sich technisch auf einem Kanal lösen, indem Bitraten wärend der Auseinanderschaltung z.B. aufgeteilt werden. Theoretisch ließen sich auf den 38 DAB-Kanälen in Ballungsgebieten bis zu 400 Programme ausstrahlen. Tatsächlich sind es oft nur 20 bis 30 wirklich unterschiedliche Programme.
Gleichzeitig gibt es keinerlei Bestrebungen, das UKW-Band neu zu ordnen. Dafür bestünde durchaus Potential. Das Projekt wurde aber nie flächendeckend angegangen, weil UKW ohnehin als Auslaufmodell galt. Wenn jetzt aber viele weitere Jahre mit UKW folgen, wäre es einen Gedanken wert, doch noch mehr Proramme auf UKW unterbringen. Auch die Versorgung der vorhandenen Programme ließe sich besser verteilen. Denn alle Wellen, die nach etwa 1993 neu hinzukamen, haben nur noch eine lückenhafte Versorgung. Zum einen könnte man die Schutzabstände zwischen den Stationen deutlich von 0,4 auf 0,2 MHz verringern, da fast alle modernen Empfänger damit klarkommen. Es ist auch ein Witz, dass beim Koordinieren einer neuen Frequenz viele Akteure weit jenseits des eigentlichen Versorgungsgebiets konsultiert werden müssen - in bis zu 500 km Entfernung. Bei wetterbedingten Überreichweiten herrscht ohnehin Chaos, bei dem die schwächeren UKW-Ketten durchweg das Nachsehen haben. Die Parameter zur Frequenzkoordination stammen noch aus der Zeit, als maximal drei Programme verbreitet werden sollten. Zum anderen könnten die jeweils 6 großen Ketten pro Bundesland Füllsender abgeben und Überlappungen von Ausleuchtzonen reduzieren, die nur existieren, weil für die Grundversorgung auch das letzte Gehöft Anspruch auf ein starkes Signal hatte. Diese technische Grundversorgung ließe sich problemlos auf DAB übertragen, so dass auf UKW neue Frequenzen für neue Programme koordiniert werden könnten.
Aber will man das? Da DAB und Webradio inzwischen viele Geschmäcker bedienen, besteht kaum noch Handlungsdruck. Die Erfahrung bei DAB lehrt, dass neue kommerzielle Stationen mit minimalem Budget hochgezogen werden. Einen gesellschaftlichen Mehrwert würden allenfalls neue Lokalstationen bieten, wenn sie journalistisch das regionale Geschehen abbilden. Hierfür finden sich mit etwas Glück auch Investoren, die mit einem gewissen Idealismus voran gehen und eine UKW-Verbreitung zwingend benötigen, um überhaupt wahrgeommen zu werden. Sobald Personal entlohnt wird, wird es aber mit der Wirtschaftlichkeit knapp, so dass schon einige vielversprechende Projekte nach kurzer Zeit von großen Ketten übernommen wurden. Widerstand für Lokalstationen käme zudem von den bestehenden Privatstationen und regionalen Zeitungsverlegern, die im Überlebenskampf nichts vom knappen Werbekuchen abgeben wollen. Und öRAs können damit argumentieren, dass es die Gesellschaft zusammenhält, wenn möglichst viele Hörer über das Radio mit verlässlichen journalistischen Grundinformationen erreicht werden. Programmvielfalt hat also zwei Seiten. Und die wird ja keineswegs unterbunden. Jeder kann heute nach Lust und Laune Radio machen - nur eben nicht auf UKW.