Wie verteilt sich die Sendeleistung rund um den Mast? Grundwissen über ERP, Bündelung, Abstrahlwinkel.
von Peer-Axel Kroeske, DL2LBP
Die effelktive Sendeleistung (ERP) von Rundfunksendern gibt nur einen einen ersten Hinweis, wie stark das Signal beim Empfänger ankommt. In der Theorie müsste z.B. ein 100 kW-Sender um 20 dB stärker als ein 1kW-Sender von demselben Standort ankommen. Sobald unterschiedliche Antennen zum Einsatz kommen, ergeben sich aber ganz andere Strahlungsdiagramme, selbst wenn in beiden Fällen Rundstrahlung angestrebt wird. Die offiziell koordinierten Diagramme geben das in vielen Fällen nur unvollständig wieder. Natürlich wirkt sich auch die unterschiedliche Höhe aus. Das ist aber ein anderes Thema.
Bevor das Signal die Sendeantenne erreicht, entstehen natürlich Verluste. Diese hängen zum einen davon ab, wie gut die Antenne auf die Sendefrequenz abgestimmt ist. Das lässt sich mit Antennentrimern anpassen, aber auch hierbei entstehen Verluste. Weitere Leistung geht durch Kabel und Steckverbinder verloren. Professionelle Kabel liegen etwa bei 0,6 dB pro 100 Meter auf 100 MHz. Damit wären etwa 3 dB Verlust im Rahmen des Üblichen. Als Sendeleistung bezeichne ich aber im Folgenden das, was tatsächlich von der Antenne abgestrahlt wird.
Kein einziger ein Rundfunksender verteilt die Sendeleistung kugelförmig und damit komplett gleichmäßig im Raum wie ein sogenannter Isotopstrahler. Das wäre auch nicht vorteilhaft. Oben und unten wird das Signal nicht gebraucht. Optimal wäre ein Diagramm in Form einer möglichst flachen Scheibe. Deshalb werden die Signale in der Ebene gebündelt.
Einfache Vertikalstrahler (Groundplane-Antenne oder Vertikal-Dipol) strahlen die Energie wie ein Donut um den Stab herum ab. Direkt nach oben und unten in Verlängerung des Stabs kommt theoretisch nichts heraus. Dadurch ergibt sich im Vergleich zum Isotopstrahler bereits ein Gewinn von 2,15 dB. Die ERP in alle Richtungen entspricht in diesem Fall per Definition der Sendeleistung. Sobald die Installation aber an der Seite eines Mastes erfolgt, hat dieser erheblichen Einfluss auf das Diagramm. Erfahrungsgemäß können Signale auf der Mast-Rückseite bis zu 20 dB abgeschwächt werden, während sie an der Seite der Antenneninstallation durch Reflexionen sogar um bis zu 3 dB verstärkt werden können. Offizielle Richtdiagramme berücksichtigen diesen Effekt kaum. Nur eine Vertikalantenne an der Mastspitze hat annähernd Rundstrahlcharakter.
Ein horizontaler Dipol strahlt die Sendeleistung in ERP auch nach oben und unten ab, jedoch nur in zwei Richtungen.
Wenn an der anderen Mastseite eine weitere Vertikalantenne installiert wird, wird die Abstrahlung wieder gleichmäßiger. Allerdings entstehen durch die beiden Abstrahlpunkte Interferenzmuster. Das lässt sich wiederum optimieren, indem man an allen vier Mastseiten Richtantennen installiert, deren Abstrahlung sich möglichst wenig überschneidet. Doch auch hierbei entstehen in den Überlappungsbereichen Interferenzen. Durch gezielte Verteilung der Leistung auf die einzelnen Seiten und Phasenverschiebungen lassen sich komplexe Richtdiagramme realisieren. Allerdings ist davon auszugehen, dass die koordinierten Richtdiagramme im 10°-Abstand nur annäherungsweise erreicht werden.
Dieses Konzept birgt zwei weitere Vorteile: Die Richtantennen sorgen für eine zusätzliche Bündelung des Signals in der Ebene von etwa 3 bis 6 dB. Faustregel: x Antennenelemente geben die x-fache Leistung, wobei der Dipol das erste Element, der Reflektor das zweite und alle Direktoren weitere Elemente darstellen.
Bei horizontaler Position wird Rundstrahlung überhaupt erst möglich, wenn Antennen in mindestens drei Richtungen installiert sind.
Wenn die Antennen übereinander "gestockt", also in passenden Abständen gestapelt werden, entsteht eine weitere Bündelung in der Ebene. Die Faustregel lautet ähnlich: Man bekommt mit x Ebenen die x-fache Leistung. Stockung und Verteilung rund um den Mast sorgen für zusätzliche Verluste in den Verteilkomponenten, die aber durch den Gewinn wieder ausgeglichen werden.
Vor allem bei leistungsstarken Sendern wird der Aufwand betrieben, gestockte Antennen in mehrere Richtungen zu installieren. Das senkt die Stromkosten und lohnt sich, um im alle Richtungen ein gutes Signal zu haben. Das hat z.B. zur Folge, dass bei einem Flugzeugüberflug deutlich weniger als die ERP-Nennleistung nach oben geht. Bereits bei vier gestockten Vertikalantennen brechen die Signale bei 10° Elevation ein, mit 10 bis 30 dB Reduzierung darüber. Eine 16fach gestockte Antenne dürfte der Elevationskegel schon bei 3° enden.
Auch bei Sporadic-E-Überreichweiten ist dies von Bedeutung. Bei kurzen Distanzen von z.B. 1000 km wird das Signal in ca. 150 km Höhe an einem Punkt in der Mitte, also ca. 500 km vom Sender entfernt reflektiert. Damit hat das Signal vom Sender aus gesehen eine Elevation von 17°. Bei mehrfacher Stockung dürfte hier bereits eine deutlich reduzierte ERP zu erwarten sein. Die Folge: Bei kurzem Sporadic-E käme der 100 Watt-Sender mit einfachem Vertikalstrahler etwa gleich stark wie der 100 kW-Sender mit 16-fach gestockter Antenne an.
Eine Antenne in 300 Metern Höhe mit 100 KW ERP in flacher Umgebung hat damit im Nahfeld (>3° Elevation) von ca. 5 km rund um den Mast am Boden eine deutlich reduzierte ERP von nur etwa 100 W bis 10 KW - stark schwankend, da die Nebenkeulen jenseits der Hauptbündelung kaum berechenbare Muster aufweisen.
Bei einem kleinen dänischen Sender, der mit 160 Watt ERP koordiniert ist, konnte ich einmal beobachten, dass die Endstufe 280 Watt erzeugt. Das Kabel macht nur 30 Meter aus. Durch Verluste kommen somit vielleicht 140 Watt an der vierfach gestockten Vertikalantenne an. Die Stockung erhöht die effektive Leistung in der Fläche auf 560 Watt ERP. Mastreflexionen können dies in einzelne Richtungen auf bis zu 1 KW ERP erhöhen. Auf der Schattenseite wird das Signal aber punktuell um bis zu 20 dB auf 5 Watt ERP reduziert. Selbst wenn Rundstrahlung koordiniert ist, verzichten viele kleinere Senderbetreiber auf den Aufwand für zusätzliche Antennen. Die Schattenwirkung wird in Kauf genommen.
An einem größeren deutschen Standort sind 25 KW Rundstrahlung für mehrere Programme koordiniert. Die Endstufen produzieren 3,5 KW. Die Kabel laufen über ca. 300 Meter, sind aber besonders dick, so dass ich von 3 kW an der Sendeantenne ausgehe. In vier Richtungen finden sich dort jeweils 16 horizontal gestockte Dipole, dahinter Gitterreflektoren. Pro Richtung landen 750 Watt an der Dipolgruppe. Die Reflektoren verdoppeln die ERP, so dass die 32fache Leistung anzulegen ist. Das wären dann 24 KW ERP.